Rede von Steffi Lemke beim StrahlenschutzForum "Resilienz in der Multikrise"

28.09.2022
Bundesministerin Steffi Lemke
In ihrer Rede auf dem BfS-StrahlenschutzForum sprach Bundesumweltministerin Steffi Lemke über die Herausforderungen für den Strahlen- und Notfallschutz, die sich im Rahmen des russischen Angriffskrieges ergeben haben.

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Dr. Inge Paulini,
sehr geehrte Rita Schwarzelühr-Sutter,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

auch von meiner Seite ein herzliches Willkommen zum zweiten Strahlenschutz-Forum!

Das erste Strahlenschutz-Forum liegt jetzt etwas mehr als ein Jahr zurück. Das Ziel war damals, die Strahlenforschung und den Strahlenschutz als Daseinsvorsorge stärker in den Fokus der Politik zu rücken. Es ging darum, die dafür erforderliche Kompetenz in Deutschland langfristig sicherzustellen.

Damals hätte vermutlich niemand von Ihnen, niemand von uns, damit gerechnet, wie sehr der Strahlenschutz nur wenige Monate später schlagartig in den Fokus der öffentlichen Debatte rücken würde.

Denn mit dem brutalen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist das größte Atomkraftwerk in Europa unter Beschuss geraten. Nur wenige hundert Kilometer entfernt von uns. Von jetzt auf gleich haben sich neue Szenarien und neue Fragestellungen im Rahmen des Notfallschutzes ergeben. Und das Bundesministerium für nukleare Sicherheit ist seitdem mit intensiver und hochprofessioneller Unterstützung des Bundesamts für Strahlenschutz und der Strahlenschutzkommission dabei, stets ad hoc darauf zu reagieren.

Alle Antworten und Handlungsempfehlungen, die auf diese neue Bedrohungslage oder auch andere vergleichbare Situationen gegeben werden, müssen drei Kriterien erfüllen:

  1. Sie müssen auf einer fundierten, wissenschaftlich-technischen Grundlage basieren.
  2. Sie müssen schnell kommen.
  3. Die entsprechenden Kommunikationsprozesse müssen klar und eingeübt sein.

Für das erste Kriterium gilt: Forschung ist essenziell, um effektive Maßnahmen ableiten zu können und darauf aufbauend sinnvolle Handlungsempfehlungen geben zu können. Wir brauchen etwa verlässliche Ausbreitungsrechnungen der Radionuklide, eine Bewertung potenzieller Folgen für Mensch und Umwelt oder Untersuchungen zu effektiven Schutzmaßnahmen. Das knüpft an das Thema des ersten Strahlenschutz-Forums, die Strahlenforschung, nahtlos an.

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem BfS, leisten dazu einen unverzichtbaren Beitrag. Um im Krisenfall schnell belastbare Daten zu erhalten und auswerten zu können, brauchen wir diese Kompetenz auch in anderen Organisationen und Institutionen in Deutschland.

Damit komme ich zu meinem zweiten Punkt: In einer Krise zu agieren bedeutet, unter enormem Zeitdruck zu handeln.

Damit das gelingen kann, müssen wir uns im Vorfeld bestmöglich auf eventuelle Szenarien vorbereiten. Das ist eine große Herausforderung, denn niemand kann in die Zukunft blicken. Wir können aber aus der Vergangenheit lernen. Ich werde gleich noch darauf eingehen, was das für das Handeln der Bundesregierung konkret bedeutet.

Damit wir im Fall einer Bedrohungssituation verlässliche und schnelle Handlungsempfehlungen aussprechen können, braucht es nicht nur belastbare Daten, sondern auch klare und eingeübte Kommunikationsprozesse. Das ist der dritte Punkt, den ich hervorheben möchte.

  • Wie kann ich sicherstellen, dass Warnungen oder Empfehlungen bei den Adressaten ankommen und dann auch umgesetzt werden?
  • Wie informiere ich sachgerecht?
  • Und mit welchen Medien erreiche ich mein Gegenüber schnell und erlange das nötige Vertrauen?

Die Information und Kommunikation mit der Öffentlichkeit über potenzielle Risiken von Strahlung ist eine Ihrer wesentlichen Aufgaben, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen.

Das Jahr 2022 ist in vielfacher Hinsicht ein Krisenjahr. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine mit drängenden Fragen des Strahlenschutzes, Inflation, extrem steigende Energie- und Verbrauchskosten, Sorgen um die Versorgungssicherheit – treffen auf eine Gesellschaft und eine Wirtschaft, die immer noch mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu kämpfen hat. Zugleich brannten Wälder in ganz Europa, belastete die Hitze – vor allem ältere – Menschen und Kinder und trockneten Flüsse aus. All das sind die Folgen eines weiteren Hitze- und Dürresommers und der sich verschärfenden Klimakrise.

Als Bundesregierung wollen wir in dieser multiplen Krisensituation künftig noch besser Vorsorge treffen. Das Ziel ist es, Deutschlands Resilienz in allen Phasen der Krisen- und Katastrophenreaktion zu stärken. In meinem Ministerium gilt das insbesondere bei der Anpassung an die Folgen der Klimakrise. Deshalb haben wir in der Bundesregierung die "Deutsche Strategie zur Stärkung der Resilienz gegenüber Katastrophen" beschlossen. Ziel der "Deutschen Resilienzstrategie" ist es, Bürgerinnen und Bürger und ihre Existenzgrundlagen zu schützen und die Widerstands- und Anpassungsfähigkeit gegenüber Katastrophen zu stärken. Die Stärkung der Resilienz wird dabei als politische Daueraufgabe verstanden. Meine Kollegin aus dem Innenministerium, Frau Schwarzelühr-Sutter, wird sicherlich noch mehr dazu sagen, denn das Innenministerium hat diese Strategie federführend bearbeitet.

Zur Stärkung der Resilienz zählt auch, die Energieversorgung in Deutschland angesichts des russischen Krieges gegen die Ukraine durch verschiedene Maßnahmen abzusichern. Dazu gehört unter anderem, dass zwei Atomkraftwerke im Winter noch drei Monate länger betrieben werden können als bisher geplant, wenn dies notwendig ist. Als für die oberste Atomaufsicht zuständige Ministerin ist für mich entscheidend, dass auch bei dieser Einsatzreserve die hohen Sicherheitsstandards vollumfänglich gewahrt bleiben und alle Sicherheitsvorschriften umgesetzt werden.

Eine Laufzeitverlängerung über den kommenden Winter hinaus und die dafür erforderliche Neubeschaffung von Brennelementen hingegen schließe ich aus. Eine Bedrohungslage, nämlich der Reaktorunfall in Fukushima, war es, der in Deutschland zu der endgültigen Entscheidung geführt hat, aus der Atomenergie auszusteigen. Die Tatsache, dass jetzt ein AKW in Europa ins Zentrum kriegerischer Auseinandersetzungen geraten ist, zeigt uns, dass ähnliche Bedrohungslagen nicht fiktive Horrorszenarien sind, sondern real auftreten können. Die Entscheidung aus dieser Technologie auszusteigen, bleibt richtig. Sie rückgängig zu machen wäre falsch – gerade im Hinblick auf die Stärkung unserer Resilienz. Denn Atomkraft ist und bleibt eine Hochrisikotechnologie. Und auch die Endlagerfrage ist – wie wir alle wissen – noch lange nicht gelöst.

Dieses Forum bietet eine gute Gelegenheit, um Antworten zur Stärkung der Resilienz Deutschlands gegen die multiplen Krisen zu finden und auch bisherige Antworten kritisch zu hinterfragen!

Ich wünsche Ihnen allen eine informative Veranstaltung, spannende Diskussionen und wertvolle Anregungen und gebe das Wort zurück an die Moderatorin, Frau Angela Elis. Herzlichen Dank!

28.09.2022 | Rede Strahlenschutz
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