Vertiefung der bilateralen Zusammenarbeit mit der Tschechischen Republik auf dem Gebiet des Umweltschutzes

24.10.1996
Hinweis: Dieser Text stammt aus dem Pressearchiv.
Veröffentlicht am:
Laufende Nummer: 121/96 S
Thema: Europa
Herausgeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Leitung: Angela Merkel
Amtszeit: 17.11.1994 - 27.10.1998
13. Wahlperiode: 17.11.1994 - 27.10.1998
Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel unterzeichnet sieben Verträge über Umweltschutzkooperationen - Vereinbarung von Sofortmaßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität im Erzgebirge

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit teilt mit:


Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel trifft heute in der "Redoute" in Bonn Bad Godesberg mit dem tschechischen Umweltminister Jirí Skalicky, dem Staatsminister im Auswärtigen Amt, Dr. Werner Hoyer, der Vizeministerin im tschechischen Ministerium für Industrie und Handel, Terézia Hrncirova, dem sächsischen Umweltminister Arnold Vaatz sowie dem Hamburger Umweltsenator Dr. Fritz Vahrenholt zur Unterzeichnung von insgesamt sieben Verträgen auf dem Gebiet des Umweltschutzes zusammen. Kernstück der Vereinbarungen ist das Abkommen zwischen der Bundesregierung und der tschechischen Regierung über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Umweltschutzes. Neben dem Umweltabkommen werden Zuwendungsverträge und begleitende Ressortabkommen über drei deutsch-tschechische Umweltschutzpilotprojekte unterzeichnet. Ferner einigten sich die Minister auf Sofortmaßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität im Erzgebirge.

Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel:
"Die heutige Unterzeichnung des Umweltabkommens ist ein wichtiger Bestandteil zur Umsetzung des 1992 unterzeichneten deutsch-tschechoslowakischen Freundschaftsvertrages. Umweltpolitisch ist das Abkommen vor allem als Grundlage zur Bewältigung der Umweltprobleme in den gemeinsamen Grenzregionen zu werten. Ich freue mich, daß die bisherige praktische Zusammenarbeit auf dieser Basis durch die heute ebenfalls vertraglich vereinbarten Projekte konkret fortgesetzt wird. Dieser Weg muß weiter beschritten werden. Ich setze dabei auf die gute Zusammenarbeit mit meinen Kollegen aus der tschechischen Republik, Sachsen und Hamburg."

Zu den größten Problembereichen in den gemeinsamen Grenzregionen gehören aus Sicht des Umweltschutzes die Elbe und das Erzgebirge. Die Wasserqualität der Elbe hat sich 1990 durch die Umsetzung des Elbe-Sofortprogramms erheblich verbessert. Die Erneuerung der Infrastruktur hat - neben der Stillegung unrentabler Betriebe - zu einer beträchtlichen Entlastung der Elbe geführt. Gleichwohl ist die Elbe beispielsweise noch stärker verschmutzt als der Rhein. Im Erzgebirge sind nach dem Winter 1995/96 außerordentlich starke Waldschäden und zunehmende Geruchsbelästigen der Bevölkerung zu verzeichnen. 3.000 Hektar Wald sind abgestorben, weitere 20.000 Hektar sind zu mehr als 30 Prozent geschädigt. Auch auf tschechischer Seite sind erhebliche Schäden aufgetreten. Die Ursache dieser akuten Schädigung liegt aller Wahrscheinlichkeit nach in einem komplexen Zusammentreffen von zunehmender Versauerung und Nährstoffarmut der Böden und drastisch erhöhten Sulfat- und Nitratkonzentrationen in den Niederschlägen. Die heute unterzeichneten Abkommen sollen einen Beitrag dazu leisten, diese Umweltprobleme in den deutsch-tschechischen Grenzregionen in den Griff zu bekommen.



Regierungsabkommen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Umweltschutzes

Das gemeinsam von Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel, Staatsminister Dr. Werner Hoyer und Umweltminister Jirí Skalicky unterzeichnete deutsch-tschechische Regierungsabkommen regelt grundsätzliche Fragen der Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Umweltschutzes. Im Vordergrund der Zusammenarbeit soll die Erfassung, Bewertung und Verringerung von Umweltbelastungen sowie die Erhaltung von Natur und Landschaft in den Grenzregionen stehen. Ferner regelt das Abkommen gegenseitige Warn- und Unterrichtungspflichten bei Industrieunfällen sowie Anforderungen an grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfungen. Zur Durchführung des Abkommens wird eine gemeinsame deutsch-tschechische Umweltkommission gebildet, die ihre Arbeit bereits im März 1996 aufgenommen hat. Das heute unterzeichnete Umweltabkommen tritt an die Stelle der Regierungsvereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Umweltschutzes vom 05.10.1987. Der Vertrag vom 12. Dezember 1995 über die deutsch-tschechische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft an den Grenzgewässern bleibt von dem Umweltabkommen unberührt.



Zuwendungsverträge und Ressortabkommen

Neben dem Umweltrahmenabkommen werden heute auch Zuwendungsverträge und begleitende Ressortabkommen über drei neue deutsch-tschechische Umweltschutzpilotprojekte unterzeichnet. Die Durchführung dieser Projekte wird vom Bundesumweltministerium mit insgesamt 11,8 Millionen DM unterstützt. Damit erhöht sich die Gesamtsumme der Zuschüsse, die das Bundesumweltministerium seit 1992 für deutsch-tschechische Pilotprojekte bewilligte, auf rund 77 Millionen DM. Bisher wurden aus dem Titel des Bundesumweltministeriums "Investitionen zur Verminderung grenzüberschreitender Umweltbelastungen" in der Tschechischen Republik Abwasserbehandlungs-, Rauchgasentschwefelungs- und Wirbelschichtfeuerungsanlagen gefördert.

Der Zuwendungsvertrag zwischen dem Bundesumweltministerium und dem Nordböhmischen Wasser- und Abwasserzweckverband Severoceska vodarenska spolecnost a.s. - SVS - betrifft die Förderung der Abwasserbehandlungsanlage Decin in Höhe von 8,6 Millionen DM. Im nordböhmischen Decin (Tetschen) an der Elbe wird von der SVS unmittelbar vor der deutsch-tschechischen Grenze eine hochmoderne Abwasserbehandlungsanlage für 68.000 Einwohnerwerte errichtet. Damit setzen das deutsche und tschechische Umweltministerium sowie die SVS eines der besonderen Ziele der Internationalen Kommission zum Schutz der Elbe (IKSE) um. Die IKSE hatte bereits vor einiger Zeit Decin zu einem sog. "Hot Spot" erklärt, in dem prioritär eine Abwasserbehandlungsanlage errichtet werden sollte, um zur Verbesserung der Elbequalität beizutragen. Das Gesamtinvestitionsvolumen für dieses Projekt wird sich nach derzeitigen Schätzungen auf etwa 35 - 40 Millionen DM belaufen (Abwasserbehandlungsanlage, Nebenanlagen und Kanalisation). Parallel zum Bau der Abwasserbehandlungsanlage soll teils in Deutschland, teils in Tschechien ein Ausbildungsprogramm für Mitarbeiter der SVS durchgeführt werden. Hieran ist das Bundesumweltministerium mit 0,6 Millionen DM im Rahmen des Gesamtzuschusses beteiligt. Die Abwasserbehandlungsanlage wird spätestens am 1. Mai 2001 ihren Betrieb aufnehmen. Die SVS hat sich verpflichtet, ab Inbetriebnahme strenge Emissionsanforderungen einzuhalten. Bis spätestens zum 31. März 1997 legt die SVS dem Bundesumweltministerium zudem ein Konzept für die Entsorgung der in der Abwasserbehandlungsanlage künftig anfallenden Klärschlämme vor.

Der Zuwendungsvertrag zwischen dem Bundesumweltministerium und der Firma Spolek pro chemickou a hutní výrobu a.s. Ústi nad Labem (Spolchemie) betrifft die Verminderung von Abwasserbelastungen. Von deutscher Seite werden insgesamt 3 Millionen DM u.a. für die Errichtung einer biologischen Abwasserbehandlungsanlage zur Verfügung gestellt. Damit dient auch das Projekt der Spolchemie der Verbesserung und dem Schutz der Elbe. Das Bundesumweltministerium und die Umweltbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg arbeiten mit dem Industrie- und Handelsministerium der Tschechischen Republik zusammen, um die über den Nebenfluß Bilina in die Elbe fließenden Emissionen an chlorierten Kohlenwasserstoffen (insbesondere AOX) zu vermindern. Hauptziel dabei ist, die Schadstofffracht im Abwasser des chlorchemischen Großunternehmens Spolchemie in Usti nad Labem (Aussig an der Elbe) um rd. 50 t/a AOX und einen ähnlich substantiellen Teil an Hexachlorbenzol sowie Hexachlorbutadien (HCB und HCBD) zu vermindern. Besonders diese Schadstoffe hatten auf deutscher Seite zu hohen Belastungen, insbesondere des Hamburger Hafenschlicks geführt. Die Hamburger Umweltbehörde, die sich bereits an den Kosten der Maßnahmen zur Quecksilberreduzierung bei der Spolchemie beteiligt hatte, leistet auch zu diesem Projekt einen Beitrag in Höhe von 1 Million DM. Die Maßnahmen zur AOX-, HCB- und HCBD-Reduktion werden von der Spolchemie in Zusammenarbeit mit dem TüV Ostdeutschland geplant. Das Gesamtinvestionsvolumen für die AOX-Reduktion an einem Teilbetrieb (Epichlorhydrinherstellung - Grundstoff für Kunstharzproduktion) beläuft sich voraussichtlich auf ca. 6 Millionen DM. Hiervon trägt die Spolchemie, die in den letzten Jahren bereits etwa 50 Millionen DM in andere betriebliche Umweltschutzmaßnahmen investiert hatte, etwa 50 Prozent. Die restlichen Teilmaßnahmen zur Reduzierung der Abwasserbelastung werden gegenwärtig noch geplant. Dabei werden Ergebnisse von früheren Untersuchungen bei dem tschechischen Unternehmen einbezogen, die insbesondere von der IKSE sowie vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung unterstützt wurden.

Der Zuwendungsvertrag zwischen dem Bundesumweltministerium und der Stiftung CHARTA 77/LIDAR s.r.o. sieht eine Unterstützung von 1,2 Millionen DM für den Erwerb eines mobilen Fernmeßsystems für Luftverunreinigungen sowie zur Förderung von Ausbildungsmaßnahmen des Bedienungspersonals vor (Projekt "Artikel 35 - Mobiles Fernmeßsystem für Luftverunreinigungen"). Bei dem mobilen Meßsystem handelt es sich um ein Modell der sog. LIDAR-/SODAR-Technologie. LIDAR-/SODAR-Meßgeräte (Light Detecting- bzw. Sound Detecting Ranging System) sind eine relativ junge Technologie, die durch Abtastung mit Lichtwellen (Laserstrahlen) bzw. Schallwellen sowohl punktuelle als auch übergreifende Emissions- und Immissionsmessungen im Luftbereich durchführen können. So sind neben Kontrollmessungen, z. B. in den Abgasen eines Braunkohlekraftwerks, auch übergreifende Untersuchungen, z. B. im Rahmen eines Smog-frühwarnsystems, möglich. Die eigens für Anschaffung, Betrieb und Unterhaltung des mobilen (d.h. auf einem Fahrzeug montierten) Fernmeßsystems gegründete LIDAR s.r.o. beabsichtigt, das Gerät insbesondere im Bereich des Vollzugs des tschechischen Umweltrechts, also im Auftrag des tschechischen Umweltministeriums bzw. anderer tschechischer Umweltbehörden einzusetzen. Ein schwerpunktmäßiger Einsatz im deutsch-tschechischen Grenzgebiet und eine weitgehende Möglichkeit zur Einsicht in die Ergebnisse solcher Messungen wurden dem Bundesumweltministerium vertraglich zugesichert. Die Beschaffung des Meßgeräts geht auf eine Initiative der ehemaligen tschechischen Bürgerrechtsbewegung CHARTA 77 zurück. Diese hatte ein Gesamtprojekt "Artikel 35" angestoßen, benannt nach Artikel 35 der tschechischen Verfassung, der jedem Bürger ein Recht auf eine gesunde Umwelt einräumt.

Die Zuwendungsverträge des Bundesumweltministeriums mit der SVS, Spolchemie sowie LIDAR s.r.o/CHARTA 77 werden begleitet durch zwei sogenannte Ressortabkommen zwischen dem tschechischen Ministerium für Umwelt bzw. Industrie und Handel und dem Bundesumweltministerium. In diesen Abkommen werden die Verpflichtungen des Bundesumweltministeriums gegenüber der tschechischen Regierung völkerrechtlich bekräftigt. Darüber hinaus verpflichten sich die tschechischen Ministerien in die Verpflichtungen der Zuwendungsempfänger einzutreten, wenn diese ihre Pflichten aus dem Zuwendungsvertrag nicht erfüllen. In der Vereinbarung zwischen dem Bundesumweltministerium und der Umweltbehörde Hamburg über die gemeinsame Förderung des Projekts der Spolchemie verpflichtet sich Hamburg zu einer Beteiligung von bis zu 1 Million DM.



Sofortmaßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität im Erzgebirge

Angesichts der hohen Luftverunreinigung im Erzgebirge haben sich heute Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel und der tschechische Umweltminister Jirí Skalicky auf Sofortmaßnahmen geeinigt. Die Minister erklärten die Verminderung der grenzüberschreitenden Luftbelastung zur Chefsache. In Kürze wird eine Sondersitzung der deutsch-tschechischen Umweltkommission stattfinden, um sich speziell mit der grenzüberschreitenden Luftbelastung zu befassen, und den Ministern bis Ende des Jahres Vorschläge unterbreiten, wie diese Belastung kurzfristig, substantiell und nachhaltig vermindert werden kann. Ferner soll in Zukunft die trilaterale Zusammenarbeit im sogenannten "Schwarzen Dreieck" zwischen Deutschland, Polen und Tschechien den Aspekt der Luftreinhaltung in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen stellen.

24.10.1996 | Pressemitteilung 121/96 S | Europa
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