Verfassung und Gesetze

Grundgesetz

Das Grundgesetz (GG) trifft Bestimmungen über die Kompetenzen von Bund und Ländern hinsichtlich der Kernenergienutzung (Artikel 73 Nummer 14, 87c, 85). Danach kommt dem Bund in diesem Bereich die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zu. Die Länder führen als zuständige Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden das Atomrecht im Auftrag des Bundes aus (Bundesauftragsverwaltung). Hierbei übt der Bund die Rechts- und Zweckmäßigkeitsaufsicht aus und kann, soweit er dies für erforderlich erachtet, die Sachkompetenz an sich ziehen. Die Länder bleiben in jedem Fall für das Verwaltungshandeln nach außen zuständig (die sogenannte Wahrnehmungskompetenz).

Aus dem Grundgesetz ergeben sich zudem grundlegende Prinzipien, die auch für das Atomrecht gelten. Mit den Grundrechten, insbesondere der aus Artikel 1 Absatz 1 Satz 2 GG folgenden objektiv-rechtlichen Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, die Würde des Menschen zu schützen und dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Artikel 2), bestimmt es den Maßstab, der an die Schutz- und Vorsorgemaßnahmen bei Kernkraftwerken angelegt wird. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Kalkar I-Entscheidung (BVerfGE 49, 89) ausgeführt, dass der Staat verpflichtet sei "alle Anstrengungen zu unternehmen, um mögliche Gefahren frühzeitig zu erkennen und ihnen mit den erforderlichen verfassungsmäßigen Mitteln zu begegnen. […] Dass sich der Gesetzgeber dieser Aufgabe bewusst [sei, zeigten] die Vorschriften des Atomschutzrechts und Strahlenschutzrechts. Sie sind auf ein umfassendes und ineinandergreifendes Gefüge von Normen gerichtet, das eine lückenlose hoheitliche Kontrolle und Überwachung aller Verhaltensweisen und Anlagen zur friedlichen Nutzung der Kernenergie […] gewährleisten soll."

Atomgesetz

Das Atomgesetz (AtG) wurde nach dem erklärten Verzicht der Bundesrepublik Deutschland auf Atomwaffen am 23. Dezember 1959 verkündet und zwischenzeitlich mehrfach geändert. Zweck des Atomgesetzes ist es, Leben, Gesundheit und Sachgüter vor den Gefahren der Kernenergie und der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlen zu schützen und verursachte Schäden auszugleichen, die Nutzung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität geordnet zu beenden und bis zum Zeitpunkt der Beendigung den geordneten Betrieb sicherzustellen. Weiterhin soll verhindert werden, dass durch Nutzung der Kernenergie die innere oder äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet wird. Ebenso soll das Gesetz die Erfüllung internationaler Verpflichtungen Deutschlands auf dem Gebiet der Kernenergie und des Strahlenschutzes gewährleisten.

Am 30. Juni 2011 beschloss der Bundestag das 13. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes, welches die Beendigung der Nutzung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität neu regelt. Das Gesetz ist am 6. August 2011 in Kraft getreten. Die Änderungen im Atomgesetz bewirken das zeitlich gestaffelte Ende der Stromerzeugung durch Atomkraftwerke in Deutschland. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte in seinem Urteil vom 6. Dezember 2016, dass das Dreizehnte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes weitgehend mit dem Grundgesetz im Einklang steht. Insoweit das Bundesverfassungsgericht in Randbereichen des Gesetzes verfassungsrechtliche Defizite feststellte, war der Gesetzgeber zu einer Neuregelung verpflichtet. Das vom Gesetzgeber insoweit beschlossene Sechzehnte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes vom 10. Juli 2018 erwies sich, wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 29. September 2020 feststellte, als unzureichend. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts wurden schließlich mit dem Achtzehnten Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes vom 10. August 2021 in Verbindung mit einem öffentlich-rechtlichen Vertrag mit den betroffenen Energieversorgungsunternehmen umgesetzt. Mit dem 19. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes vom 4. Dezember 2022 wurde beschlossen, dass am 15. April 2023 die Ära der gewerblichen Elektrizitätserzeugung durch Kernenergie in Deutschland endet.

Das Atomgesetz enthält die grundlegenden nationalen Regelungen für Schutz- und Vorsorgemaßnahmen, und die Entsorgung radioaktiver Abfälle und bestrahlter Brennelemente in Deutschland und ist die Grundlage für die zugehörigen Verordnungen.

Das Atomgesetz umfasst, neben der Zweckbestimmung und allgemeinen Vorschriften, auch Überwachungsvorschriften, grundlegende Regelungen zu Zuständigkeiten der Verwaltungsbehörden, Haftungsvorschriften sowie Bußgeldvorschriften.

Zum Schutz gegen die von radioaktiven Stoffen ausgehenden Gefahren und zur Kontrolle ihrer Verwendung knüpft das Atomgesetz die Errichtung und den Betrieb von Kernanlagen an eine behördliche Genehmigung. Es regelt die Voraussetzungen und das Verfahren für die Erteilung von Genehmigungen und für die Durchführung der Aufsicht, einschließlich Regelungen zur Hinzuziehung von Sachverständigen (Paragraf 20 AtG) und zur Erhebung von Kosten (Paragraf 21 AtG).

Die meisten der dort getroffenen Regelungen sind allerdings nicht abschließend, sondern erfahren sowohl im Bereich der Verfahren, wie auch der materiell-rechtlichen Anforderungen, eine weitere Konkretisierung durch Verordnungen sowie durch untergesetzliches Regelwerk.

Nach Paragraf 7 AtG bedürfen die Errichtung, der Betrieb oder das Innehaben einer ortsfesten Anlage zur Erzeugung, Bearbeitung, Verarbeitung oder zur Spaltung von Kernbrennstoffen, eine wesentliche Veränderung der Anlage oder ihres Betriebes und auch die Stilllegung der Genehmigung.

Eine solche Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn die in Paragraf 7 Absatz 2 AtG genannten Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt sind, das heißt wenn

  • keine Tatsachen vorliegen, aus denen sich Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Antragstellers und der für die Errichtung, Leitung und Beaufsichtigung des Betriebs der Anlage verantwortlichen Person ergeben, und die für die Errichtung, Leitung und Beaufsichtigung des Betriebs der Anlage verantwortlichen Personen, die hierfür erforderliche Fachkunde besitzen (Ziffer 1),
  • gewährleistet ist, dass die beim Betrieb der Anlage sonst tätigen Personen die notwendigen Kenntnisse über einen sicheren Betrieb der Anlage, die möglichen Gefahren und die anzuwendenden Schutzmaßnahmen besitzen (Ziffer 2),
  • die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden getroffen ist (Ziffer 3),
  • die erforderliche Vorsorge für die Erfüllung gesetzlicher Schadenersatzverpflichtungen getroffen ist (Ziffer 4),
  • der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter gewährleistet ist (Ziffer 5) und wenn
  • überwiegende öffentliche Interessen, insbesondere im Hinblick auf die Umweltauswirkungen, der Wahl des Standorts der Anlage nicht entgegenstehen (Ziffer 6).

Die vom Gesetzgeber verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe, wie zum Beispiel "die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden" wurden gewählt, um eine dynamische Weiterentwicklung der Vorsorge nach neuestem Stand zu erleichtern. Das Bundesverfassungsgericht führt hierzu aus, dass der Gesetzgeber mit der Bezugnahme auf den Stand von Wissenschaft und Technik einen noch stärkeren Zwang dahin ausübe, "dass die rechtliche Regelung mit der wissenschaftlichen und technischen Entwicklung Schritt hält. Es muss diejenige Vorsorge gegen Schäden getroffen werden, die nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen für erforderlich gehalten wird."

Das Gesetz hat es damit weithin der Exekutive überlassen, sei es im Wege der Rechtsverordnung nach Maßgabe der einschlägigen Ermächtigungen, sei es bei Einzelentscheidungen unter Berücksichtigung auch des untergesetzlichen Regelwerks, über Art und insbesondere über Ausmaß von Risiken, die hingenommen oder nicht hingenommen werden, zu befinden. Über das Verfahren zur Ermittlung solcher Risiken trifft es selbst keine näheren Regelungen.

Auch zu den Genehmigungsvoraussetzungen des Atomgesetzes hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Kalkar I-Entscheidung Stellung genommen. Danach habe der Gesetzgeber, was "die Schäden an Leben, Gesundheit und Sachgütern anbetrifft […] durch die in […] § 7 Absatz 2 niedergelegten Grundsätze der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge einen Maßstab aufgerichtet, der Genehmigungen nur dann zulässt, wenn es nach dem Stand von Wissenschaft und Technik praktisch ausgeschlossen erscheint, dass solche Schadensereignisse eintreten werden. Ungewissheiten jenseits dieser Schwelle praktischer Vernunft [hätten] ihre Ursache in den Grenzen des menschlichen Erkenntnisvermögens; sie [seien] unentrinnbar und insofern als sozialadäquate Lasten von allen Bürgern zu tragen."

Diese Voraussetzungen für eine Genehmigung sind heute nur noch für Änderungen oder die Stilllegung von bestehenden Anlagen bedeutsam, da gemäß Paragraf 7 Absatz 1, Satz 2 AtG für die Errichtung und den Betrieb von Atomkraftwerken und Wiederaufarbeitungsanlagen keine Genehmigungen mehr erteilt werden können.

Die genehmigten Anlagen unterliegen der permanenten staatlichen Aufsicht nach Paragraf 19 AtG.

Als weitere gesetzliche Grundlage ist das "Gesetz über die Errichtung eines Bundesamtes für kerntechnische Entsorgungssicherheit" zu nennen, mit dem diesen Amt - seit dem 1.1.2020 unter dem Namen "Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung" (BASE) zur Unterstützung der atomrechtlichen Behörde des Bundes bestimmte Aufgaben im Bereich der kerntechnischen Sicherheit sowie der kerntechnischen Entsorgungssicherheit übertragen werden.

Stand: 18.08.2023

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