Repräsentativumfrage zu Umweltbewusstsein und Umweltverhalten 2010

Umwelt und Soziales

Projektlaufzeit
12.2011 - 12.2011

Forschungskennzahl
3709 17 154

Vertiefungsbericht 1: Vertiefende Milieu-Profile im Spannungsfeld von Umwelt und Gerechtigkeit

Das Themenfeld Umwelt und Gerechtigkeit hat auch in Deutschland sowohl von der wissenschaftlichen als auch von der politischen Seite her in den letzten Jahren verstärkte Aufmerksamkeit erfahren. In diesem Vertiefungsbericht wird zunächst auf den Zusammenhang zwischen Umwelt- und Lebensqualität eingegangen, um mögliche Synergien zwischen Umweltpolitik und der Verbesserung der allgemeinen Lebenssituation auszuloten. Dabei wird, wie in der Basisbroschüre, die deutsche Bevölkerung differenziert nach Sinus-Milieus betrachtet. Es fällt auf, dass insbesondere das Milieu der Performer und das Hedonistische Milieu sich mit jeweils 16 Prozent überdurchschnittlich häufig (Bevölkerung: acht Prozent) durch Umweltprobleme belastet fühlen.

Ausgehend von der in der Literatur häufig geäußerten und teilweise auch empirisch bestätigten These, dass sozial benachteiligte Gruppen auch überproportional von Umweltbelastungen (zum Beispiel Lärm, Luftverschmutzung, Unterausstattung mit Grün- und Freiflächen) betroffen sind, geht der Bericht im Anschluss näher auf die sozial benachteiligten Milieus ein (Prekäres Milieu, Hedonistisches Milieu, Traditionelles Milieu). Dabei zeigt sich, dass die Angehörigen dieser Milieus in der Regel zwar geringere Werte im allgemeinen Umweltbewusstsein aufweisen – ein in der Literatur ebenfalls häufig berichteter Tatbestand –, aber in einzelnen Verhaltensbereichen sich durchaus positive Ansätze für ein umweltbewusstes Verhalten finden. Diese sind zum Teil bedingt durch mangelnde Ressourcen (zum Beispiel Einkommen) und insofern als "unfreiwilliger Umweltschutz" einzustufen, hängen teilweise aber auch von bestimmten Motivkomplexen ab, die mit Umweltfragen nichts zu tun haben (zum Beispiel Sparsamkeit).

Es werden umweltpolitische Handlungsvorschläge gemacht, die an den Besonderheiten der benachteiligten Milieus ansetzen (zum Beispiel alternative Mobilitätskonzepte speziell für die Prekären). Die Mobilisierung der Potenziale zu mehr umweltbewusstem Verhalten und umweltbewussteren Einstellungen in diesen Milieus setzt zum einen voraus, dass Umweltpolitik ihre positiven Beiträge zur Verbesserung der Lebensqualität speziell dieser Gruppen herausstellt. Zum anderen ist es erforderlich, dass bestimmte Angebote (etwa im zivilgesellschaftlichen Umwelt- und Naturschutz) überdacht und besser auf die sozial benachteiligten Milieus zugeschnitten werden.

Vertiefungsbericht 2: Engagement und Delegation

Zentrales Ergebnis der Studie Umweltbewusstsein in Deutschland ist der Anstieg sowohl des individuellen Einsatzes für Umweltschutz (umweltfreundliches Konsumverhalten, Wahrnehmung von Vorteilen einer umweltfreundlichen Lebensweise) als auch der Erwartungen an Staat und Industrie, sich für die Umwelt einzusetzen. Um die dahinterliegenden Konzepte von Verantwortungsübernahme und -übertragung zu verstehen, wurde eine Typologie erstellt. Diese basiert auf den Ausprägungen (gering versus hoch) der beiden Dimensionen Engagement (meint hier den eigenen Einsatz) und Delegation (im Sinne von „andere in die Pflicht nehmen“) und umfasst vier Handlungsmuster:

Bei Personen mit dem Handlungsmuster "Andere Probleme sind wichtiger" (46 Prozent) sind sowohl die Dimension Engagement als auch Delegation schwach ausgeprägt. "Wer, wenn nicht wir" (21 Prozent) beschreibt die vorrangige Verantwortungsübernahme der Bürger selbst. Der Handlungstypus "Experten sind gefragt" (17 Prozent) zeigt sich bei jenen, welche die Umweltproblematik als kollektive Herausforderung betrachten und deswegen weniger sich selbst gefordert sehen, sondern primär einer einheitlichen Gesetzgebung von staatlicher Seite Handlungserfolg zusprechen. Der vierte Handlungstypus "Alle gemeinsam" (16 Prozent) zeichnet sich dadurch aus, dass sowohl das eigene Engagement als auch die Forderungen an die Umweltpolitik auf hohem Niveau rangieren.

Umweltpolitik muss unter Rücksichtnahme auf die verschiedenen Zugangsweisen zur Umweltproblematik mehrgleisig fahren: Das Austarieren der verschiedenen Konzepte hinsichtlich Bereitschaft, in Sachen Umweltschutz einen eigenen Beitrag zu leisten und Erwartungshaltung an den Staat, stellen hier eine große Herausforderung dar. Öffentliche Diskussionen und Partizipationsmöglichkeiten zählen zu den wichtigen Institutionen, um gesellschaftliche Entscheidungsprozesse rund um Umwelt- und Zukunftsfragen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.

Vertiefungsbericht 3: Umweltbewusstsein und Umweltverhalten junger Erwachsener

In der Basisbroschüre Umweltbewusstsein in Deutschland wurde eine zunehmende Sensibilisierung der jungen Erwachsenen für Umweltfragen festgestellt, weswegen sich einer der Vertiefungsberichte dem Umweltbewusstsein und -verhalten der 18- bis 29-Jährigen widmet. Die Erwartungen an die Umweltpolitik dieser Altersgruppe übersteigen jene der Gesamtbevölkerung, doch beim Umweltverhalten sind klare Defizite festzustellen, wenngleich ihr ehrenamtliches Engagement im Umwelt- und Naturschutz seit 2008 sehr stark angestiegen ist (von drei auf zwölf Prozent). Wollen Umwelt- und Naturschutzorganisationen diese Zielgruppe erreichen, müssen sie die jungen Erwachsenen in ihren Lebenswelten verstehen und ihren Bedürfnissen entsprechende Engagementformen anbieten. Hier zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den jungen, pragmatischen Milieus sowie den "bildungsfernen" jungen Erwachsenen: In den Milieus der sozialen Mittel- und Oberschicht (Expeditive, Adaptiv-pragmatische, Performer) sind Nutzenerwägungen zentrale Handlungsmaxime, weswegen freiwilliges Engagement als potenzielles Qualifikationsfeld interessant erscheint, wenn dadurch Soft-Skills angeeignet werden können. Vor dem Hintergrund der vielfältigen Anforderungen von Ausbildung und Berufswelt und den dadurch beschränkten verfügbaren Zeitbudgets sind "entgrenzte" (spontane, unverbindliche) Projektformen deutlich attraktiver als dauerhafte Verpflichtungen in festen Vereinsstrukturen, wobei „entideologisierte“ Kampagnen durch deutlich niedrigere Hemmschwellen das Beteiligungspotenzial erhöhen. Zur Informationsvermittlung und Mobilisierung sollte auf die vielfältigen Möglichkeiten des Internets zurückgegriffen werden (Web 2.0, Apps, Kurzvideos et cetera).

Die Milieus der sozialen Unterschicht hingegen (vor allem Hedonisten, aber auch Prekäre), sind für Umweltthemen schwieriger zu sensibilisieren, da die Bewältigung der Probleme in der all-täglichen Lebenswelt oft die ganze Aufmerksamkeit fordert. Hier adressatengerechte, lebens-weltlich orientierte Angebote zur Verfügung zu stellen, kann als besonders große Herausforderungen für Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) betrachtet werden, der sie sich stellen sollten – auch, um sozial Benachteiligten Partizipationschancen zu eröffnen.

https://www.bmuv.de/FB64

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