Untersuchung des Einflusses von intrakorporalen Feldkomponenten an Gewebegrenzschichten bei der numerischen Bestimmung induzierter Feldstärkeverteilungen in hoch aufgelösten realistischen Computermodellen zur Überprüfung der Einhaltung von Grenzwerten

Strahlenschutz

Projektlaufzeit
09.2011 - 06.2014

Forschungskennzahl
3611 S 70017

Die internationale Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP) veröffentlichte 2010 neue Empfehlungen zur Begrenzung der Exposition von Personen gegenüber elektrischen und magnetischen Feldern im Frequenzbereich ein-Hertz-bis-zehn-Megahertz. Diese Empfehlungen werden in naher Zukunft internationale rechtliche Relevanz erlangen bzw. bilden in der aktuellen Fassung der 26. Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImschV) bereits die Grundlage der Grenzwerte für bestimmte ortsfeste Anlagen in Deutschland.

Da sich die in den ICNIRP 2010 Empfehlungen definierten Bewertungsmethoden für die im Körper induzierten Feldgrößen und die daraus abgeleiteten Referenzwerte für die externen Feldstärken deutlich von früheren von ICNIRP empfohlenen Verfahren unterscheiden, wurden die neuen Bewertungsmethoden im Rahmen dieses Projekts einer kritischen Prüfung unterzogen, insbesondere im Hinblick auf die Konservativität der Referenzwerte bezüglich der zugrundeliegenden Basiswerte für Gewebe des Zentralnervensystems im Kopf, inklusive Retina (CNS-Gewebe) und periphere Gewebe (alle anderen Gewebe im Körper). Weiterhin war die Frage nach einem  geeigneten Vorgehen bei der Ermittlung der als Raummittelwert über ein Volumen von zwei-mal-zwei-mal-zwei Kubikmillimeter definierten Bewertungsgröße an Gewebegrenzschichten zu beantworten. Zu diesem Zweck wurden zunächst optimierte Mittelungsverfahren für die im Gewebe induzierten elektrischen Feldstärke entwickelt und daran anschließend, auf Basis numerischer Berechnungen, mit mehreren anatomischen Körpermodellen unterschiedliche Expositionssituationen analysiert.

Bei einer Rechengitterauflösung von kleiner-gleich-ein Millimenter erwies sich der Maximalwert der über zwei-mal-zwei-mal-zwei Kubikmillimeter gemittelten intrakorporalen elektrischen Feldstärkeverteilung als bestgeeignete Bewertungsgröße zum Vergleich mit den Basiswerten, wobei im Hinblick auf die Behandlung von Gewebegrenzschichten im Zuge der Mittelung ein optimierter Algorithmus entwickelt wurde. Rechengitterschrittweiten größer-als-ein Millimeter sollten vermieden werden. Von einer Perzentilbildung vor dem Vergleich mit den Basiswerten, wie von ICNIRP vorgeschlagen, ist grundsätzlich abzuraten, da sie potenziell zu einer Unterschätzung der tatsächlichen Exposition führt.

Die in den ICNIRP 2010 Empfehlungen festgesetzten Referenzwerte für die äußere magnetische Feldstärke erwiesen sich auf der Grundlage der durchgeführten Berechnungen als konservativ im Hinblick auf die Basiswerte für CNS-Gewebe. Bei Einhaltung der Referenzwerte ist damit auch die Einhaltung der CNS-Basiswerte sichergestellt, wobei die "Reserve", das heißt, das Verhältnis von Basiswert zur berechneten Bewertungsgröße im Frequenzbereich unterhalb von 50 Hertz weniger als einen Faktor zwei beträgt. Oberhalb von 50 Hertz ist diese "Reserve" größer als Faktor zwei. 

Für die Referenzwerte der elektrischen Feldstärke besteht Konservativität im Hinblick auf die Basiswerte für CNS-Gewebe in eindeutiger Weise nur in den Frequenzbereichen unterhalb von zehn Hertz und oberhalb von ca. 150 Hertz. Zwischen ca. zehn und 150 Hertz deuten die durchgeführten Berechnungen bei homogener Ganzkörperexposition darauf hin, dass es unter der Bedingung eines geerdeten Körpermodells zu Überschreitungen des Basiswertes im CNS-Gewebe kommen kann, wenn die äußere ungestörte elektrische Feldstärke dem Referenzwert entspricht. Die "Reserve" zum Basiswert im Frequenzbereich oberhalb von 150 Hertz beträgt dabei durchwegs mehr als einen Faktor zwei. 

Bezüglich der peripheren Gewebe zeigen die Berechnungsergebnisse substantielle Probleme auf. Vor allem in Zusammenhang mit den in der Haut induzierten elektrischen Feldstärken, deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Referenzwerte im Hinblick auf die Basiswerte in peripherem Gewebe im Allgemeinen als nicht konservativ anzusehen sind. Der Hauptgrund für diese Problematik ist vermutlich in der stark eingeschränkten Anzahl der für die Referenzwertfestsetzung betrachteten Expositionsszenarien (ausschließlich aufrecht stehende Körpermodelle ohne Kontakt zu leitfähigen Objekten) zu sehen, die als nicht ausreichend repräsentativ für in der Praxis auftretende ungünstige Situationen gesehen werden müssen. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass bei äußeren Feldstärken entsprechend der ICNIRP 2010 Referenzwerte, in ungünstigen Situationen, die intrakorporalen elektrischen Feldstärken in der Haut bzw. im darunterliegenden Fettgewebe die Basiswerte für periphere Gewebe überschreiten. Dem daraus sich ergebenden dringenden Bedarf nach der Festlegung wissenschaftlich fundierter und im Hinblick auf die Basiswerte für periphere Gewebe konservativer Referenzwerte sollte daher auf der Grundlage eines validierten Hautmodells zeitnah Rechnung getragen werden. 

Schließlich konnte gezeigt werden, dass sich bei gleichzeitiger Exposition in elektrischen und magnetischen Feldern die von den beiden Feldtypen im Gewebe induzierten elektrischen Feldstärken, zumindest in Teilbereichen des Körpers addieren können, womit eine getrennte und unabhängige Bewertung von externer elektrischer und magnetischer Feldstärke in Bezug auf die Referenzwerte im Allgemeinen nicht gerechtfertigt werden kann.

https://www.bmuv.de/FB188

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