Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel weist Vorwürfe von Greenpeace an CASTOR-Transporten zurück

22.10.1996
Hinweis: Dieser Text stammt aus dem Pressearchiv.
Veröffentlicht am:
Laufende Nummer: 119/96 S
Thema: Nukleare Sicherheit
Herausgeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Leitung: Angela Merkel
Amtszeit: 17.11.1994 - 27.10.1998
13. Wahlperiode: 17.11.1994 - 27.10.1998
Strahlenschutzkommission: Keine gesundheitsgefährdenden Strahlenbelastungen des Begleitpersonals oder der Bevölkerung durch die CASTOR-Transporte

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit teilt mit:

Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel bezeichnete die auf einer Pressekonferenz von Greenpeace von Professor Kuni wiederholten Behauptungen als wissenschaftlich unhaltbare Panikmache. Bereits im September 1995 hatte beim Niedersächsischen Umweltministerium ein Fachgespräch zur Bewertung der biologischen Wirksamkeit von Neutronenstrahlung stattgefunden, mit dem Ergebnis, daß die von Professor Kuni postulierten hohen Strahlungswichtungsfaktoren unbegründet sind. Diese Auffassung wird von der Strahlenschutzkommission (SSK) und international anerkannten Fachleuten geteilt, daher sieht das Bundesumweltministerium zur Zeit keine wissenschaftliche Grundlage für die erneuten Behauptungen von Prof. Kuni.

Im Mai 1996 wurden die neuen europäischen Strahlenschutz-Grundnormen verabschiedet, die eine international abgesicherte Neubewertung der biologischen Wirksamkeit der Neutronenstrahlung enthalten. Auch bei Beachtung dieser Neutronenstrahlung ergibt sich keine unzulässige überschreitung der Grenzwerte der Strahlenschutzverordnung der verkehrsrechtlichen Bestimmungen beim Transport von bestrahlen Brennelementen in CASTOR- oder bauartähnlichen Behältern.

Die Strahlenschutzkommission (SSK) hat sich schon in einer Stellungnahme vom 22.09.1995 zum Beitrag des Marburger Prof. Kuni über die "Gefährdung der Gesundheit durch Strahlen des CASTOR" geäußert. Sachlage und Bewertung sind unverändert.

Auszug aus der SSK-Stellungnahme vom 22.09.1996:
"In seinem Beitrag "Gefährdung der Gesundheit durch Strahlung des CASTOR" führt Herr Kuni aus, daß er nach den Bestimmungen der Gefährdungsverordnung beim Transport gültige Grenzwert durch den CASTOR-Behälter zwar nicht überschritten werde, daß jedoch die Bestimmungen der Strahlenschutzverordnung die besondere biologische Wirkung von Neutronenstrahlung nicht hinreichend berücksichtigen. Da ein beträchtlicher Teil der Strahlenexposition durch den CASTOR-Behälter durch Neutronen verursacht wird, sei daher der Schutz des begleitenden Personals und der Bevölkerung in der Nähe der Transportwege nicht gewährleistet. Die SSK nimmt dazu im folgenden Stellung:

Die Argumentation von Herrn Kuni stützt sich auf die Annahme, Neutronenstrahlung sei bei gleicher Dosis bis zu 300 mal wirksamer als Gamma-Strahlung und müsse daher in der Berechnung der effektiven äquivalenzdosis weit stärker gewichtet werden, als es nach den geltenden Bestimmungen der Strahlenschutzverordnung der Fall ist. Diese Aussage steht im Gegensatz zur Bewertung durch die maßgebenden internationalen Fachgremien. Sie wird im Beitrag von Herrn Kuni nicht schlüssig begründet, sondern resultiert aus mehrfachen Multiplikatoren, die nicht gerechtfertigt sind:

(...)

Der Strahlenwichtungsfaktor 10 für Neutronen der Strahlenschutzverordnung geht auf die Empfehlung der Internationalen Kommission für Strahlenschutz (ICRP) von 1977 zurück. Aufgrund neuerer Daten hat ICRP im Jahr 1990 einen Strahlenwichtungsfaktor empfohlen, der von der Energie der Neutronen abhängt und einen Wert von maximal 20 erreicht. Die SSK hält diese Bewertung für angemessen. Die in überarbeitung befindlichen EU-Grundnormen sehen diese Bewertung ebenfalls vor. Die anschließende Novellierung der Strahlenschutzverordnung sollte die Bewertung übernehmen.

(...)

Statistische Strahlenschäden - wie Krebs oder Erbschäden - durch Neutronen konnten bisher am Menschen nicht nachgewiesen werden. Unsere Kenntnisse beruhen auf experimentellen strahlenbiologischen Untersuchungen, wie z. B. Tierexperimenten. In solchen Studien wurden, je nach untersuchtem System, unterschiedliche Werte der relativen biologischen Wirkung von Neutronen gefunden. Die Untersuchungen, bei denen sich überdurchschnittlich hohe Werte ergeben haben, sind meist dadurch gekennzeichnet, daß die Wirkung der zum Vergleich herangezogenen Röntgen- oder Gamma-Strahlung bei geringen Dosen überproportional abnimmt. Diese hohen Werte für die relative biologische Wirkung von Neutronen sind damit Ausdruck einer besonders geringen Wirkung der Röntgen- und Gamma-Strahlung bei kleinen Dosen und mehr - wie Herr Kuni annimmt - einer unerwartet hohen Wirkung der Neutronen.

Eine weitere überlegung ergibt sich aus den Beobachtungen an den überlebenden von Hiroshima, die eine wichtige Grundlage der Risikoschätzung sind. Wären die Neutronen tatsächlich 300 mal wirksamer als Gamma-Strahlung, so wären die beobachteten Gesundheitsschäden zum größten Teil nicht mehr der Gamma-Strahlung, sondern überwiegend der Neutronenstrahlung zuzuschreiben. Damit würden sich die Risikoschätzungen für Röntgen- und Gamma-Strahlung entsprechend stark verringern. Die Aussagen von Herrn Kuni sind daher in sich unstimmig.

Zusammenfassend ergibt sich, daß die im Beitrag von Herrn Kuni postulierten hohen Strahlungswichtungsfaktoren für Neutronen unbegründet sind und darüber hinaus die Argumentation in sich fehlerhaft ist. Damit erweisen sich die Aussagen von Herrn Kuni als haltlos. Von gesundheitsgefährdenden Strahlenbelastungen des Begleitpersonals oder der Bevölkerung durch die CASTOR-Transporte kann nicht die Rede sein."

Der ausführliche Text der Stellungnahme der SSK ist im Bundesumweltministerium erhältlich.

22.10.1996 | Pressemitteilung 119/96 S | Nukleare Sicherheit
https://www.bmuv.de/PM992
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