3. Vertragsstaatenkonferenz zum übereinkommen über biologische Vielfalt vom 4. - 15. November 1996 in Buenos Aires

13.11.1996
Hinweis: Dieser Text stammt aus dem Pressearchiv.
Veröffentlicht am:
Laufende Nummer: 49/96
Thema: Natur · Biologische Vielfalt · Arten
Herausgeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Leitung: Angela Merkel
Amtszeit: 17.11.1994 - 27.10.1998
13. Wahlperiode: 17.11.1994 - 27.10.1998


Heute beginnt in Buenos Aires das Ministersegment im Rahmen der 3. Vertragsstaatenkonferenz zum übereinkommen über die biologische Vielfalt. Die deutsche Delegationsleitung übernimmt der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Walter Hirche. Auf der Tagesordnung stehen u.a. Beschlüsse zur Weiterentwicklung des Abkommens in den Bereichen Zugang zu genetischen Ressourcen, biologische Sicherheit, nachhaltiger Tourismus, Clearing-House-Mechanismus und Finanzierung.

Parlamentarischer Staatssekretär Walter Hirche: "Das übereinkommen über die biologische Vielfalt ist ein wichtiges völkerrechtliches übereinkommen, welches Schutz und Nutzung des gesamten biologischen Erbes der Welt erstmals umfassend zusammenführt. Es realisiert den neuen Weg der Rio-Konferenz von 1992, wonach Umweltschutz und Entwicklung als untrennbare Einheit zu sehen sind. Dementsprechend verfolgt das übereinkommen drei Hauptzwecke, die im Rahmen der Vertragsstaatenkonferenz sukzessive umgesetzt werden müssen:

1. Erhaltung und Schutz der biologischen Vielfalt der Erde,
2. Nutzung von Tier- und Pflanzenarten sowie Lebensräumen auf eine Weise, durch die deren Existenz nicht gefährdet wird - nachhaltige Nutzung,
3. gerechte Aufteilung der Vorteile, die sich aus der Nutzung dieser natürlichen Ressourcen ergeben."

Zugang zu den genetischen Ressourcen

Das Sekretariat wird Beschlußvorschläge erarbeiten zur Umsetzung von Art. 15 des übereinkommens durch nationale Maßnahmen. Nach dieser Vorschrift bestimmen die Vertragsstaaten in eigener Souveränität den Zugang zu genetischen Ressourcen. Die Vertragsparteien sollen sich ferner bemühen, Voraussetzungen zu schaffen, um den Zugang zu genetischen Ressourcen für eine umweltverträgliche Nutzung durch andere Vertragsparteien zu erleichtern. Nach dem Zugriff soll der Ursprungsstaat überdies angemessen an den Vorteilen der Nutzung beteiligt werden (Benefit-Sharing). Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, daß der Zugang zu genetischen Ressourcen primär auf der Basis der Aushandlung zwischen Ursprungsland und Wirtschaft erfolgen sollte. Denkbar wären aus deutscher Sicht höchstens Minimum-Standards für Modelle des Benefit-Sharing, wenn freiwillige Kooperationsmodelle scheitern sollten.

Parlamentarische Staatssekretär Walter Hirche: "Immer mehr Länder setzen sich heute gegen die ungeregelte Entnahme ihrer genetischen Ressourcen zur Wehr. Während in den fünfziger Jahren der Export biologischen Materials aus Ursprungs-/Entwicklungsländern noch unbedeutend war, ist die Nachfrage nach genetischen Ressourcen durch Industrieländer in den letzten Jahren stark angestiegen. Dies gilt insbesondere für den pharmazeutischen Sektor, aber auch für die Agro- und Kosmetikindustrie. Allein in Deutschland werden jährlich rund 40.000 Tonnen pflanzlicher Basisstoffe mit einem Gesamtwert von rund 160 Millionen DM eingeführt. Weltweit wird dieses Volumen auf über 20 Milliarden US-Dollar geschätzt. Bereits heute ist die Entdeckung und Entwicklung jedes vierten Medikaments in den Industrieländern auf eine tropische Pflanzen- oder Tierart zurückzuführen. Auf diesem Sektor besteht noch ein unglaubliches Entwicklungspotential, wenn man bedenkt, daß nur etwa ein Prozent der 500.000 Pflanzenarten bisher einem eingehenden Screening unterzogen und nur 90 Arten in größerem Umfang pharmazeutisch-kommerziell genutzt werden."

Auf dem Gebiet des Zugangs zu genetischen Ressourcen gibt es weltweit bisher nur wenig Erfahrungen. Um den konventionsspezifischen Verpflichtungen dennoch rasch nachzukommen, hat das Bundesumweltministerium verschiedene Maßnahmen und Projekte eingeleitet:

  • Vergabe von Rechtsgutachten zur Frage, wie der Zugang zu genetischen Ressourcen durch deutsche Nutzer geregelt werden könnte,
  • Einsetzung einer Arbeitsgruppe, die praxisbezogene Problemstellungen erörtert; Mitglieder sind Pharmaunternehmen, Bundesministerien, Forstbehörden, Umweltbehörden und Wissenschaftsvertreter,
  • Durchführung eines internationalen Workshops mit rund 50 Experten Ende August 1996.



Auf der Grundlage dieser Ergebnisse strebt das Bundesumweltministerium die Initiierung eines Kooperationsmodells zwischen einem deutschen Industriepartner und einem Ursprungsland an, das reich an biologischen Ressourcen ist.

Biologische Sicherheit
Der Vorsitzende der "Open ended ad hoc Arbeitsgruppe" wird der Vertragsstaatenkonferenz über den Verhandlungsstand für ein Protokoll über die Sicherheit in der Biotechnologie berichten.

Auf der 2. Vertragsstaatenkonferenz wurde die Arbeitsgruppe beauftragt, bis 1998 ein entsprechendes Protokoll zu erarbeiten, das insbesondere grenzüberschreitende Bewegungen von gentechnisch veränderten Organismen regeln soll. Nach Auffassung der Bundesregierung muß das Protokoll differenzierte Verfahren zur Informationsübermittlung und Inkenntnissetzung des Empfängers regeln, um den Empfängerstaat eine eigene Risikoabschätzung zu ermöglichen. Dabei sollten grundsätzlich zunächst alle gentechnisch veränderten Organismen in den Regelungsbereich des Protokolls aufgenommen werden. Ausgenommen werden sollten nur die Organismen, von denen erkanntermaßen keine Gefahr ausgeht.

Parlamentarischer Staatssekretär Walter Hirche: "Das Protokoll soll insbesondere in den Entwicklungsländern zum sicheren Umgang mit der Biotechnologie beitragen und den Schutz der biologischen Vielfalt vor möglichen Gefahren durch gentechnisch veränderte Organismen verbessern. Ferner muß das Protokoll dazu führen, daß Entwicklungsländer nicht für Zwecke des Freisetzungstourismus mißbraucht werden, wenn in den Industrieländern strenge nationale Regelungen die Freisetzung erschweren. Angesichts der unterschiedlichen politischen Zielsetzungen der Vertragsparteien werden bei der Aushandlung des Protokolls aber noch viele Interessenkonflikte zu überwinden sein."

Nachhaltiger Tourismus

Die Bundesregierung will anläßlich der 3. Vertragsstaatenkonferenz bilaterale Gespräche führen, um eine deutsche Initiative zur weltweiten Entwicklung eines nachhaltigen, ökologisch verträglichen Tourismus zu starten. Ziel dieser Initiative ist die Erarbeitung internationaler Grundsätze und Regeln für einen globalen und naturverträglichen Tourismus im Rahmen des übereinkommens. Vor diesem Hintergrund wird Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel vom 6. - 8. März 1997 in Berlin zu einer internationalen Umweltministerkonferenz zum Thema "Nachhaltiger Tourismus" einladen. Ziel der Veranstaltung ist die Verabschiedung einer Berliner Erklärung zu einem naturverträglichen Tourismus.
Regionaler und weltweiter Tourismus suchen sich aus Erholungsgründen verstärkt "schöne, unberührte Natur" als Ziel aus. Derartige Landschaften sind oft schützenswert, weil sie in aller Regel reich an Tier- und Pflanzenarten sowie gewachsene, ursprüngliche Lebensrräume sind. Die Welt-Tourismus-Organisation erwartet, daß sich die Zahl der internationalen Touristen bis zum Jahr 2010 auf bis zu 937 Millionen im Jahr nahezu verdoppeln wird. Sensible Landschaftsbereiche wie die Küsten- und Bergregionen werden davon besonders betroffen sein. Dazu Staatssekretär Hirche: "In zunehmendem Maße werden für die Erhaltung biologischer Vielfalt wertvolle ökosysteme durch touristische Nutzung überbeansprucht. Damit wachsen die Konfliktpotentiale zwischen Tourismus und Erhaltung der Biodiversität. Gerade der Tourismus ist jedoch von attraktiven, unzerstörten Landschaften und einer reichen Tier- und Pflanzenwelt abhängig. Daher müssen internationale Regeln und Grundsätze entwickelt werden, die Naturschutz und Tourismus miteinander verbinden und zu einem naturverträglichen Tourismus führen."


Clearing-House-Mechanismus

Ein wesentlicher Schritt zur Umsetzung des übereinkommens ist die Einrichtung von Mechanismen für einen Informationsaustausch. Deshalb hat die 2. Vertragsstaatenkonferenz die Entwicklung eines Clearing-House-Mechanismus (CHM) im Rahmen einer zweijährigen Pilotphase beschlossen. Diese Art "Datendrehscheibe" soll die technische und wissenschaftliche Zusammenarbeit fördern und erleichtern. Die hierfür beim Sekretariat der Konvention eingerichtete Kontaktstelle in Montreal soll in Zusammenarbeit mit den beteiligten Vertragsstaaten die Entwicklung eines Informationsnetzwerkes fördern. Die deutsche Kontaktstelle des CHM hat hier eine Vorreiterrolle übernommen und im Rahmen dieses Pilotprojektes seit dem 1. November 1995 ihre Arbeit aufgenommen. Der nationale CHM wurde im Juni 1996 eröffnet. Das System wird interessierten Teilnehmern in den Entwicklungsländern und den Industriestaaten u.a. im INTERNET zugänglich gemacht. Abrufbar sollen alle Informationen sein, die im Zusammenhang mit der Konvention stehen, wie z. B. Forschungsergebnisse betreffend die biologische Vielfalt in Entwicklungsländern, Regelung des Zugangs zu genetischen Ressourcen in Brasilien, Organisationsstruktur und Arbeitsprogramme des Sekretariats.

Die 3. Vertragsstaatenkonferenz will erste Erfahrungen mit dem CHM diskutieren und auswerten.

Finanzierung
Im Bereich der Finanzierung geht es u.a. um die Frage, ob die GEF (Global Environmental Facility = Globale Umweltfazilität) auch weiterhin als Finanzierungsquelle für Projekte der Konvention über die biologische Vielfalt zur Verfügung steht; weiteres Thema ist die Festsetzung des Haushalts für das Sekretariat.

Die Entwicklungsländer streben an, für die Konvention eine eigene Finanzierungsquelle zu schaffen. Die Bundesregierung lehnt dagegen ein eigenes Finanzierungsinstrument ab. An der GEF soll auch in Zukunft festgehalten werden. Das GEF-Gesamtvolumen 1995 - 1997 betrug rund zwei Milliarden US-Dollar. Der Beitrag von Deutschland für diesen Zeitraum beträgt 490 Millionen DM. Das Gesamtvolumen für 1998 bis 2000 wird im Rahmen von Wiedererfüllungsverhandlungen voraussichtlich im Februar 1997 festgelegt.

Der Haushalt des Sekretariats betrug 1996 6,9 Millionen US-Dollar. Für 1997 sind 7,7 Millionen US-Dollar vorgesehen. Diese Aufstockung scheint aus deutscher Sicht weitgehend gerechtfertigt. Der Anteil Deutschlands liegt bei 12,6 Prozent. (1996: 869.400 DM/ 1997: ca. 970.000 DM).

Entwicklung und Stand des Konventionsprozesses
Angesichts des zunehmenden Artenschwundes mehrten sich seit den 70er Jahren die Stimmen, die eine übergreifende Konvention über die biologische Vielfalt als wesentlichen Baustein der internationalen Umweltpolitik forderten. Die World Conservation Union (IUCN) begann daraufhin zwischen 1984 und 1989 Entwürfe für mögliche Artikel einer solchen Konvention zu diskutieren. Unter der ägide von UNEP fand der Prozeß seine Fortsetzung in einer 1987 eingerichteten Arbeitsgruppe. 1991 wurde diese UNEP-Arbeitsgruppe in ein formelles Verhandlungskomitee (INC) umbenannt. Auf fünf Sitzungen des INC wurde, nach schwierigen Verhandlungen, ein Konventionstext erarbeitet. Unter dem Druck der bevorstehenden UNCED-Konferenz in Rio de Janeiro 1992 wurde ein Konsens erzielt; der daraus resultierende Vertragstext wurde während der UNCED von 157 Ländern und der EU unterzeichnet. Nach Ratifikation durch mehr als 30 Staaten trat die Konvention schon 18 Monate später im Dezember 1993 in Kraft. Rund 180 Staaten haben das übereinkommen unterzeichnet, 158 Staaten haben es ratifiziert. Deutschland hat die Ratifizierungsurkunde am 21.12.1993 hinterlegt.

Nach nur zwei Sitzungen des Vorbereitungskomitees (ICCBD) fand die 1. Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention Ende 1994 in Nassau, Bahamas, statt. Diese Konferenz hat im wesentlichen erreicht, daß die verschiedenen Organe der Konvention (Sekretariat, wissenschaftlicher Beirat) eingerichtet, personell besetzt und mit Finanzmitteln ausgestattet, d.h. handlungsfähig wurden. Auf der 2. Vertragsstaatenkonferenz 1996 in Jakarta wurde Montreal als Sitz des Sekretariats der Konvention bestimmt.


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13.11.1996 | Pressemitteilung 49/96 | Natur · Biologische Vielfalt · Arten
https://www.bmuv.de/PM1095
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