Zeitzeugin sein

Die Fotografin Marion Wenzel

1982 beginnt Marion Wenzel, Fotografin und Studentin der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst – Abteilung Fotografie, Fachklassse Prof. Evelyn Richter – im Rahmen einer Projektarbeit die Tagebaue im Süden Leipzigs zu dokumentieren. Sie hat sich das Thema nicht selbst gewählt. Ihre Professorin schlägt es ihr vor. Und sie nimmt die Herausforderung an, nicht liebliche Naturlandschaften abzubilden, sondern sich dieser Industrienatur zuzuwenden. Über mehrere Jahrzehnte wird Marion Wenzel immer wieder alleine zwischen Großbaggern und Abraumhalden mit einer schweren Plattenkamera unterwegs sein. Auf ihren Erkundungen entstehen großformatige Aufnahmen einer vom Menschen geschaffenen und radikal veränderten Landschaft.

Die Fotografin Marion Wenzel bei der Arbeit, 1985. Weitere Informationen siehe Bildunterschrift

Marion Wenzel bei der Arbeit, 1985

Wenzel versenkt sich in den Anblick der entstandenen Täler und Ebenen, versteht sich als "Zeitzeugin", die einfängt, was dort passiert, wie sich die Ansichten verändern, wo Neues entsteht. Ihre Fotografien erlauben den Betrachtenden in diese eigenartigen Landschaften "reinzusteigen". Die Ansichten treffen bei den ersten Ausstellungen auf große Aufmerksamkeit, aber sie verunsichern die Betrachtenden bisweilen – sind die Aufnahmen nicht zu "ästhetisierend"? Und wo ist eigentlich "der sozialistische Mensch" in diesen Bildern? Die visuellen Langzeitbeobachtungen werden später für die Umweltbewegung im Südraum von Leipzig bedeutsam. Sie entwickeln sich in den Zeiten des Umbruchs auf einer zweiten Ebene zu politischen Dokumenten und werden für Ausstellungen und Publikationen zur Darstellung der Umweltveränderung genutzt. Wenzels Aufnahmen und ihr Archiv entwickeln sich zu "Schatzkammern". Die Bilder bleiben, wenn Tagebaue und Abraumhalden in neue Landschaften übergehen.

Interview Marion Wenzel am 11. August 2020.

Natur- und Umweltengagement in der DDR

"Wir haben uns nicht versteckt"

Stand: 06.12.2021