Samisdat: Die Macht des gedruckten Wortes

Kurz und knapp

Der Begriff Samisdat stammt aus dem Russischen. Übertragen bedeutet er 'Selbst-Verlag'. Es sind Publikationen, die ohne Verlagsbeteiligung mit eigener Technik gedruckt werden. Eine Anordnung von 1959 erlaubt es den Kirchen in der DDR, ohne weitere staatliche Genehmigung Schriften für den "internen Dienstgebrauch" zu vervielfältigen. Mit dem Aufdruck "Nur für den innerkirchlichen (Dienst-)Gebrauch" versehene Samisdat-Werke bewegen sich so formal im legalen Rahmen. Diese Möglichkeit nutzen die Akteurinnen und Akteure unterschiedlichster oppositioneller Gruppen rege.

Gedruckt wird auf Wachsmatrizen oder im Ormig-Verfahren. Da bei letzterem die Materialien leichter zu beschaffen sind, nutzen es vor allem kleinere Gruppen. Die Vervielfältigung riecht nach Farbe und Ethanol. "Meine Frau sprach immer von der spiritus-geschwängerten DDR", erinnert sich Walter Christian Steinbach vom Christlichen Umweltseminar Rötha.

Flugblätter drucken auf einer Ormig-Kopiermaschine in der Umweltbibliothek, Till Böttcher, Zionskirche, Berlin, DDR, 1988. Weitere Informationen siehe Bildunterschrift

Flugblätter drucken auf einer Ormig-Kopiermaschine in der Umweltbibliothek, Till Böttcher, Zionskirche, Berlin, DDR, 1988

Das Kirchliche Forschungsheim Wittenberg bringt bereits seit 1980 die regelmäßig erscheinenden Briefe: Zur Orientierung im Konflikt Mensch Erde heraus. Daneben publiziert es auch eine Reihe von umfangreicheren Schriften und Studien wie 1986 Nicht das letzte Wort von Joachim Krause, einer Schrift zur Atomenergie, und 1988 die Pechblende. Der Uranbergbau in der DDR und seine Folgen von Michael Beleites. Die Pechblende enthüllt das Staatsgeheimnis rund um den Uranabbau des VEB Wismut und entwickelt sich zu einem zentralen Werk der späten DDR-Umweltbewegung.

Auch viele Umweltgruppen bringen regelmäßig erscheinende Schriften heraus. Die Hefte berichten über lokale und grenzüberschreitende Umweltprobleme, geben praktische Tipps zum umweltbewussten Handeln und informieren über Veranstaltungen oder Eingabeverfahren. Handgezeichnete Illustrationen oder Karikaturen ergänzen die Texte. Den Anfang macht 1981 die Leipziger Arbeitsgruppe Umwelt mit ihrem Informationsblatt Streiflichter. Viele andere folgen, sei es der Aufbruch des Ökumenischen Friedenskreises der Region Forst / Lausitz, die Anstöße der Umweltgruppen der Evangelischen Studentengemeinden der DDR oder die Umweltblätter der Berliner Umweltbibliothek. Diese erhielten 1989 mit einer Auflage von 4.000 Ausgaben eine bedeutende Reichweite. Und wie bei allen Schriften war ihr Verbreitungsradius noch deutlich größer. Denn die Druckexemplare werden verliehen, weitergegeben und handkopiert.

Interview mit Walter Christian Steinbach am 23. Juli 2020.

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Stand: 06.12.2021